Beschluss: mehrheitlich beschlossen

Abstimmung: Ja: 7, Nein: 0, Enthaltungen: 2

Beschluss:

 

Aufgrund des § 10 Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB) wird der Bebauungsplan Nr. 75 „Gewerbe- und Industriegebiet Ahlhorner Heide“, 3. Änderung, als Satzung beschlossen. 

 

Die im Verfahren von den Trägern öffentlicher Belange vorgebrachten Anregungen und Hinweise werden entsprechend der beigefügten Entscheidungsvorschläge berücksichtigt und zu Eigen gemacht.


Sach- und Rechtslage:

 

In seiner Sitzung am 20.10.2014 hat der Rat beschlossen, eine planungsrechtliche Steuerung von landwirtschaftlichen Tierhaltungsanlagen im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 1 Baugesetzbuch (BauGB) und landwirtschaftlich gewerblichen Tierhaltungsanlagen im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB durchzuführen.

 

Die Bebauungspläne Nr. 119/ 1 – 5 „Steuerung von Tierhaltungsanlagen“ sind am 12.09.2020 rechtsverbindlich geworden.

 

Das Bundesverwaltungsgericht und das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht Lüneburg haben in zwei Entscheidungen erstmals zu Fragen des Wegfalls des Privilegierungstatbestands für Tierhaltungsanlagen im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB Stellung genommen.

 

Das BVerwG hat im Urteil vom 01.11.2018 entschieden, dass der Privilegierungstatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB unter dem Vorbehalt der bauplanungsrechtlichen Absicherung von Vorhaben durch Bebauungspläne oder durch § 34 BauGB steht und dass diese Folge auch durch die Festsetzung von Sondergebieten für gewerbliche Tierhaltungsanlagen eintreten kann. Das OVG Lüneburg hatte dies im vorhergehenden Urteil vom 15.06.2017 für Sondergebiete verneint.

 

Das OVG Lüneburg hat im Beschluss vom 04.09.2018 entschieden, dass gewerblichen Tierhaltungsanlagen die Privilegierung nach § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB je nach Lage der Dinge fehlen kann, wenn ein geeignetes Industriegebiet zu ihrer Unterbringung zur Verfügung steht.

 

Aufgrund der unklaren Rechtslage wurde Herr Prof. Dr. Wilhelm Söfker durch den Landkreis Oldenburg mit der Erstellung eines rechtswissenschaftlichen Gutachtens zu den beiden Urteilen beauftragt. Das Gutachten liegt vor.

 

Im Gutachten wird zunächst hervorgehoben, dass lediglich die Privilegierung von Bauvorhaben im Sinne von § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB an weitere Kriterien geknüpft wird. Tierhaltungsanlagen nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB sind weiterhin im Außenbereich privilegiert zulässig.

 

Grundsätzlich ist eine Tierhaltungsanlage im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB zunächst in einem Industriegebiet zu errichten. Dies gilt jedoch nicht, wenn

 

·         ein Verweis auf ein Baugrundstück im Industriegebiet nicht zumutbar ist

oder

·         notwendige Flächen nicht oder zu nicht angemessenen Konditionen verfügbar sind

oder

·         der Eigentümer erklärt, das unbebaute Grundstück nicht zum Zwecke der Errichtung einer Tierhaltungsanlage im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB verkaufen zu wollen.

 

Sofern einer dieser Umstände zutrifft, sind auch Tierhaltungsanlagen im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB weiterhin im Außenbereich zulässig. Die weitergehenden Kriterien stellen somit lediglich einen zusätzlichen Prüfungsschritt im Genehmigungsverfahren dar, schließen jedoch keineswegs die Ansiedlung derartiger Vorhaben im Außenbereich generell aus.

 

Treffen die Kriterien nicht zu, tritt die Privilegierung wieder ein.

 

Aktuell stehen im Gemeindegebiet nur wenige unbebaute Industrieflächen zur Verfügung, die wiederrum aufgrund ihrer hochwertigen Eignung für die Ansiedlung von störungsintensiven Betrieben bzw. für die Erweiterung von flächenintensiven Betrieben vorgehalten werden sollen. Darüber hinaus besteht seitens der derzeitigen Flächeneigentümer keine Bereitschaft, Flächen zum Zwecke der Errichtung von Tierhaltungsanlage im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB zu veräußern.

 

Um einen flächenschonenden Umgang mit hochwertigen Industrieflächen sicherstellen zu können sowie die Grundzüge der Planung zu sichern, sollen mit der 3. Änderung des Bebauungsplanes Nr. 75 „Gewerbe- und Industriegebiet Ahlhorner Heide“ alle Einrichtungen und Anlagen zum Halten und/oder zur Aufzucht von Tieren im Plangebiet ausgeschlossen werden.

 

Mit Schreiben vom 23.10.2019 beantragte die Fraktion Kommunale Alternative die textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes dahingehend zu ergänzen, dass der Bau und Betrieb von Schlachthöfen und Schlacht- und Zerlegebetrieben mit einer Kapazität von mehr als 10 Tonnen Lebendgewicht pro Tag ausgeschlossen wird.

 

Auf die Beschlussvorlage Nr. BV/0841/2016-2021 wird verwiesen.

 

In weiten Teilen der Öffentlichkeit wird der Neubau von Schlachthöfen abgelehnt. Die öffentliche Meinung wird politisch respektiert. Der Bürgermeister schließt sich dem an und befürwortet daher den Ausschluss von Schlachthöfen.

 

Um die Regelung hinreichend zu bestimmen, wird bei dem Ausschluss auf die Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchV) Bezug genommen. Die textlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes sehen daher vor, dass Anlagen zum Schlachten von Tieren (Nr. 7.2 des Anhangs 1 der 4. BImSchV) nicht Bestandteil des Bebauungsplanes sind. Durch diese Regelung sind nur noch Betriebe zulässig, die weniger als 0,5 Tonnen Lebendgewicht pro Tag (Geflügel) bzw. 4 Tonnen Lebendgewicht pro Tag (alle übrigen Tierarten) schlachten.

 

Die Flächeneigentümer haben gegen die Änderung keine Bedenken.

 

In der Zeit vom 14.03.2022 bis einschließlich 13.04.2022 haben die Planunterlagen gemäß § 3 Abs. 2 BauGB öffentlich ausgelegen. Gleichzeitig wurden die Träger öffentlicher Belange gemäß § 4 Abs. 2 BauGB beteiligt und um Stellungnahme gebeten.

 

Darüber hinaus sind 4 private Stellungnahmen eingegangen.

 

Die von den Trägern öffentlicher Belange sowie Privaten vorgebrachten Anregungen und Hinweise sind mit Entscheidungsvorschlag einschließlich einer Begründung der Beschlussvorlage Nr. BV/039/2021-2026 beigefügt.

 

Herr Joachim Mrotzek vom Büro PlanForum Nord GmbH, Großenkneten, wird in der Sitzung des Planungs- und Umweltausschusses auf die vorgebrachten Einwendungen eingehen.

 

Der Bürgermeister schlägt vor, folgenden Beschluss zu fassen:

 

Aufgrund des § 10 Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB) wird der Bebauungsplan Nr. 75 „Gewerbe- und Industriegebiet Ahlhorner Heide“, 3. Änderung, als Satzung beschlossen. 

 

Die im Verfahren von den Trägern öffentlicher Belange vorgebrachten Anregungen und Hinweise werden entsprechend der beigefügten Entscheidungsvorschläge berücksichtigt und zu Eigen gemacht.

 

Sitzungsbeiträge:

 

Dipl.-Geograf Mrotzek erläutert die Planung und nimmt Bezug auf die eingegangenen Einwendungen. Die Einwendungen hatten gemeinsam, dass eine Verknüpfung zwischen der vorliegenden Planung und der planungsrechtlichen Steuerung von Tierhaltungsanlagen durch die Bebauungspläne Nr. 119/1 – 5 gezogen würden. Auch ohne diese Steuerungspläne sei die vorliegende Ausschlussplanung von Tierhaltungsanlagen in Industriegebieten sinnvoll. Da die Bebauungspläne Nr. 119/1 – 5 innerhalb der Jahresfrist nicht angegriffen worden seien, liege eine rechtskräftige Bauleitplanung vor. Diese müsse vom Landkreis Oldenburg angewendet werden. Der generelle Schutz der Industriegebiete und deren Arbeitsplätze sei ein angemessener Planungsgrund.

 

Beigeordneter Uwe Behrens erfragt, ob inzwischen eine Klärung der unterschiedlichen Rechtsauffassungen zwischen Landkreis Oldenburg und der Gemeinde erfolgt sei.

 

Erster Gemeinderat Bigalke bestätigt die Gespräche mit dem Landkreis Oldenburg und die unterschiedlichen Rechtsauffassungen. Ein Fachanwalt für Verwaltungsrecht habe die Rechtsauffassung der Gemeinde bestätigt.

 

Beigeordneter Uwe Behrens kritisiert, dass alle Fraktionen über die unterschiedlichen Rechtsauffassungen informiert hätten werden müssen. Die Gruppe Grüne – KA – Linke begrüße ausdrücklich den Ausschluss von Schlachtanlagen, lehne jedoch den Ausschluss von Tierhaltungsanlagen aufgrund der befürchteten Rechtswidrigkeit der Bebauungspläne 119/1 – 5 ab. Neben dem Ausschluss von Alternativflächen in den Industriegebieten werde der Planungsanlass angezweifelt, da keine wirtschaftlichen Gründe für Tierhaltungsbetriebe bestehen, die eine Ansiedlung in einem Industriegebiet rechtfertigen würden.

 

Stellv. Vorsitzender Wendt erwidert, dass die rechtliche Einordnung der Tierhaltungsanlagen oftmals steuerliche Gründe habe. Ein Rückschluss auf den Betriebsinhaber könne dadurch nicht gezogen werden.

 

Beigeordneter Bilger macht deutlich, dass die Bebauungspläne Nr. 119/1 – 5 endgültig als Satzung beschlossen seien. Eine weitere Diskussion über die Rechtmäßigkeit der Steuerungsplanung sei daher müßig. Es gehe jetzt darum, in den Industriegebieten Tierhaltungsanlagen auszuschließen. Er gibt zudem zu bedenken, dass zwar aktuell kein Eigentümer bereit sei, Flächen für Tierhaltungsanlagen zur Verfügung zu stellen. Jedoch müsse das nicht auch zukünftig so sein.